Femicid on SnowWhite

Femicid on SnowWhite

„Weiß wie Schnee, rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz“, drei Elemente weiblicher Schönheit, die bereits den Blick auf das Mädchen im Märchen gefährlich beschränken, bilden hier die herausragenden Merkmale einer Frau, deren Blick das Bild und seine BetrachterInnen in einem Augenblick fixieren. Trotz reduzierter Vorgaben bewirkt gerade das dominante Weiß den Eindruck der Abgeschlossenheit. In der Textur des Körpers verweist das direkt Sichtbare lediglich auf Vorstellungen von Identität und Kohärenz. Da jede Projektion in die Zukunft unmöglich gemacht wurde, geht die notwendig vorausgehende Gewalt in ihrer Bedeutung über den Gewaltakt hinaus und impliziert konkrete Machtverhältnisse und deren gesellschaftliche und politische Repräsentationen. Augenblicke werden festgehalten, in denen sich Schönheit im Kontrast zu ihrer gewaltsamen Zerstörung definiert, der weibliche Körper erscheint als perfekte, makellose Form, erstarrt zu einem Kunstobjekt. Der statische und absolute Status von Perfektion stellt eine Ideologie der Ausgrenzung dar, zerstört den Raum der Projektion, insbesondere die Vorlieben der BetrachterInnen für Differenz und Pluralität.

Wenn in Ciudad Juarez hunderte Frauen ermordet, verstümmelt und in der Wüste verscharrt werden, lösen die bedrohlichen Wiederholungen zwar eine vielfältige mediale Rezeption und Bearbeitung aus, doch diese Formen der Aufmerksamkeit führen zu keiner wirksamen Zerstörung der tragenden Struktur dieser seit 1993 ungebrochenen Mordserie. In der Millionenstadt an der Grenze zu Texas arbeiten vorwiegend junge Frauen in den Maquiladoras, der ausgelagerten Fabrikproduktion US-amerikanischer und europäischer Unternehmen. Die Absurdität der Festlegung legaler Arbeitsverhältnisse wird darin offensichtlich: Die Arbeit junger Frauen zu niedrigen Löhnen und unter oft sklavenähnlichen Bedingungen ermöglicht das Überleben in extremer Armut, ein täglicher Kampf für 20 Millionen MexikanerInnen. Eine deviante Weise der Organisierung und Produktivität bieten Drogenkartelle, deren rivalisierende Praktiken – neben Korruption und Versuchen in einem „war on drugs“ die staatliche Kontrollen wiederherzustellen – tausende Tote und eine Vielzahl von Tätern hervorbringen. Ein rigides Grenzregime forciert gerade auch am Tor zur proklamiert Freiheit neben Techniken der Überwachung Menschenhandel und Sexarbeit. Der drängende Wunsch zur Flucht aus unerträglichen Verhältnissen, alle damit verbundenen Hoffnungen und Projektionen werden für all jene im Video genannten und jene bisher verschwundenen oder nicht identifizierbaren Frauen grausam beendet. Viele dieser Körper wurden mit Zeichen versehen und beweisen, dass der Femizid auch als Kommunikationsmittel (Rita Laura Segato) fungiert. Gerade in der sexualisierten Gewalt bewegen sich die Täter im hegemonialen Geschlechterbild und richten darin ihre Botschaften einerseits an das Opfer selbst, als Verteidiger einer sozialen Ordnung, die über das Leben der Frauen herrscht. Andererseits fungieren die ermordeten Frauen als Opfer in einem brüderlichen Initiationsritus, sie dienen als Vehikel in der parallel zu erodierten staatlichen Institutionen etablierten Hierarchie totalitärer Kontrolle. Im unkontrollierten Akkumulationsprozess der Grenzregion wurden die Repräsentanten der demokratischen Organisation und Gewaltenteilung Teil eines Systems absoluter territorialer Macht. In der Sphäre der Konsumtion werden sämtliche Grenzen obsolet und die globale Dimension der Verwertung realisiert.